Jüdisches Leben in Anklam – Stolpersteine und ehemalige Synagoge

Erstmalig wurden Juden in Anklam gegen Mitte des 14. Jahrhunderts erwähnt. In den folgenden Jahrhunderten ist kaum etwas über jüdische Ansiedlung in Anklam bekannt.
Um 1816 sollen 33 Juden in der Stadt gelebt haben. Seit 1815 gab es wahrscheinlich schon einen Betraum. Aufgrund der schnell wachsenden Gemeinde wurde am 15. Oktober 1841 an der Ecke Mägdestraße/Mauerstraße eine Synagoge eingeweiht. Die jüdische Gemeinde scheint nie einen eigenen Rabbiner gehabt zu haben. Zu hohen Feiertagen reiste dieser aus Stettin oder Pasewalk an. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die jüdische Gemeinde Anklams mit mehr als 300 Mitgliedern ihren Höchststand. Der Großteil der Juden war in das kleinstädtische Leben voll integriert. Nach 1933 begannen auch für die Juden in Anklam Ausgrenzung, Entrechtung und Verdrängung aus Wirtschafts- sowie Berufsleben und schließlich die Deportationen. In der Pogromnacht 1938 wurde die Synagoge angezündet. Sie brannte aber nicht aus. Bis zu ihrem Abriss 1941 diente sie als Getreidelager.
Schüler der AG "Kriegsgräber" beschäftigen sich seit vielen Jahren u. a. mit der jüdischen Geschichte der Stadt Anklam. So recherchierten sie auch über das Leben von Siegfried Becker und Albert Bernhard.

Siegfried Becker wurde am 9. Juni 1911 in Anklam geboren. Sein Vater übte den Beruf des Kaufmanns aus. Siegfried Becker war ebenfalls selbständiger Kaufmann. Er wohnte zunächst in Würzburg, kam später wieder nach Anklam zurück und zog dann nach Berlin. Am 13. Juni 1938 wurde Siegfried Becker durch die Kriminalpolizei Berlin in "Schutzhaft" genommen. Mit den NS-Häftlingskategorien "Arbeitsscheu, Reich und Jude" sowie der Häftlingsnummer 5850 war er vom 15. Juni 1938 bis 14. April 1939 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Buchenwald emigrierte Siegfried Becker nach Shanghai. Dort starb er am 4. Mai 1944.

Albert Bernhard wurde am 18. August 1868 in Krakow am See geboren. Später wohnte er in Anklam und muss in der Brüderstraße 20 ein Geschäft betrieben haben. Am 12. Februar 1940 ist er mit weiteren Juden aus Anklam in den Regierungsbezirk Lublin deportiert worden. Albert Bernhard starb am 9. Februar 1942 in Glusk, nahe Lublin, an Flecktyphus.

Auf Initiative der Schüler der AG "Kriegsgräber" und mit Unterstützung der Stadt Anklam konnten am 10. April 2019 Stolpersteine für Siegfried Becker und Albert Bernhard verlegt werden. Anwesend waren nicht nur Jugendliche der AG, sondern auch zahlreiche Bürger und Politiker der Stadt Anklam.

Außerdem konnte eine Informationstafel zur ehemaligen Synagoge der Stadt eingeweiht werden. Auch daran hatten Schüler der AG "Kriegsgräber" inhaltlich mitgearbeitet. Finanziert wurde diese Tafel durch zahlreiche Spenden!

Artikel aus dem Vorpommern-Kurier vom 11.4.2019