Ganz automatisch…

fanden sich am 27. April 2017 neben stolzen Eltern und neugierigen Freunden fast 30 gespannte Lehrer zum gleichnamigen Stück im Begegnungszentrum Ribnitz ein. Unter Leitung von Effi Sternkiker hatten sich Schüler der zehnten Gymnasialklassen (plus Michelle S. und Laura aus der 10d) mit den Ereignissen rund um das Rostocker Sonnenblumenhaus im Jahr 1992 gründlich auseinandergesetzt und sie in einem multimedialen Theaterprojekt verarbeitet. Nun sahen sie an diesem Abend aufgeregt und nervös ihrer Premiere entgegen… und alle Befürchtungen lösten sich nach einer sensationellen, überzeugenden und nicht zuletzt berührenden Aufführung völlig in Luft und in einem Schrei der Erleichterung auf. Aber der Reihe nach. Bevor ich loslege, vielleicht noch der Hinweis, dass dies weder eine Rezension noch eine Theaterkritik ist. Rezension kann ich nicht und Kritik will ich nicht, weil ich wohl nur ansatzweise erahnen kann, welch unglaublicher Aufwand und welche Anstrengung hinter dieser Arbeit stecken. Und schon allein dafür muss der Hut ab!
Alles begann mit sehr viel "Unruhe" und ganz fürchterlichem Lärm. Jeder machte eine bestimmte Bewegung und ein unterschiedliches Geräusch, wobei es immer schneller und lauter wurde – so dass ich mich beispielsweise schon etwas genervt fühlte, ehrlich gesagt. Aber schließlich sollte man nicht nur gucken, sondern Denken war ausdrücklich erwünscht. Und so erklärte ich mir die Eingangsszene später: obwohl uns bestimmte Dinge auf den Geist gehen und wir manchmal der Meinung sind, dass es jetzt genug mit diesem Thema sein sollte, darf man nicht damit aufhören, die Erinnerung daran wach zu halten, und auch die ständige Aufarbeitung. (Trotzdem ist dies nur meine Deutung und immer noch keine Rezension.) Im weiteren Verlauf des Stücks begegneten wir verschiedenen Menschen, die alle einen unterschiedlichen Blick auf das Geschehen hatten. Eines einte sie jedoch fast alle – sie hatten kaum eigene Meinungen, ordneten sich ohne den geringsten Zweifel unter oder waren total desinteressiert. Da waren die drei Jugendlichen, die Action wollten und loszogen, um zu zündeln, wobei einer der drei erst noch überzeugt werden musste. Oder das Ehepaar…die Tochter filmt aus dem Fenster das aktuelle Geschehen und posiert dabei, während die Mutter nur um das Befinden des meckernden Vaters besorgt ist. Beide Eltern bemerken das Feuer gegenüber scheinbar nicht. Die Bloggerin (sehr überzeugend Lara Schumann in dieser Rolle) "arbeitet" sich vom oberflächlichen Verständnis für die Situation der Ausländer bis hin zu unverhüllter Wut und blankem Hass. Eine Polizistin wird mit Bier begossen, und ihren Arm reißt man zum Hitlergruß hoch. Später liegt sie am Boden und wird von bewegungslosen Gesichtern aufgehoben und weggetragen - hier ist Raum für ganz viel Auslegung und Deutung. Und überhaupt fällt mir an dieser Stelle erst so richtig auf, dass die Akteure schwarz und weiß gekleidet sind…und am Ende wird die Bühne in ein warmes Licht getaucht, alle berühren sich irgendwie, halten sich an den Händen und lassen Platz für ganz viel Hoffnung… Hoffnung dafür, dass das Verständnis füreinander in der Zwischenzeit gewachsen ist und dass sich solche Ereignisse nicht wiederholen. Natürlich ist bloße Hoffnung nicht genug. Nachrichten von brennenden Asylunterkünften gehören leider nicht nur der Vergangenheit an. Es ist und bleibt genug zu tun.
Und auch wenn wir vielleicht dies oder das anders gesehen, bewertet, gedeutet oder ausgelegt haben, so hat uns doch nach dem minutenlangen begeisterten Applaus ein Gedanke vereint: der Stolz auf unsere tollen Schüler. Dieses Stück hätte es wirklich verdient, auf Tournee zu gehen. Das findet mit Sicherheit nicht nur die Schreiberin.