„Vergesst uns nicht“ - Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

"Vergesst uns nicht", mit diesen Worten wurden wir bei unsrem letzten Treffen mit Überlebenden der Shoah in Israel verabschiedet. Wie wichtig diese Bitte der Zeitzeugen ist, verdeutlichte der Besuch von Yochanan Ron Singer. Vor 75 Jahren befreite die Rote Armee das deutsche Vernichtungslager Auschwitz. Aber nicht nur Auschwitz war während der NS-Diktatur ein Ort des Grauens. Auch Osteuropa war geprägt von Rassenwahn und Vernichtungswillen.
Yochanan Ron Singer, 1940 in Czernowitz (Bukowina) geboren, erzählte uns seine und die Geschichte seiner Familie. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges nahmen auch in der Bukowina Antisemitismus und Judenfeindlichkeit erheblich zu. Im Oktober 1941 wurde die Familie von Czernowitz nach Transnistrien deportiert. Yochanan war ein anderthalb Jahre altes Baby und seine Mutter trug ihn in einem Rucksack. Mit vielen anderen Juden trieb man sie zu Fuß nach Ataky ans Ufer des Flusses Dnjestr. Von dort ging es mit mehr schlecht als recht zusammengezimmerten Flößen ans andere Ufer, nach Moghilev-Podolsk in Transnistrien. Nach Berichten der ukrainischen Anwohner war das Wasser des Dnjestr dunkelrot gefärbt vom Blut der erschossenen und mit Floßrudern erschlagenen Menschen, die von überladenen Flößen gefallen waren. Wer nicht laufen und mithalten konnte, wurde erschossen. Darunter sein 84jähriger Großvater Faibel und seine Großmutter Scheindel. Seine Mutter Gusta, die versucht hatte, ihre Eltern mit ihrem Körper zu beschützen, wurde von den Gendarmen schwer verprügelt. Am Ende des Marsches fand die Familie in einem Dorf eine Ecke eines verlassenen Schweinestalls, ohne Fenster, ohne Toilette, ohne Wasser. Sein Vater David musste in einem Steinbruch Zwangsarbeit leisten, seine Mutter arbeitete auf den Feldern der ukrainischen Bauern, während sie Yochanan auf dem Rücken in einem Rucksack trug.

Am 6. März 1944 wurde Yochanan zusammen mit weiteren fast 2000 Kindern aus einem Waisenhaus mit dem Zug nach Rumänien geschickt und somit gerettet. Auch seine Eltern überlebten. Gemeinsam emigrierte die Familie im Mai 1948 nach Israel.

Yochanan Ron Singer war nicht nur Gast bei uns an der Schule, sondern erzählte auch im Landtag mit bewegenden Worten über die Shoah in Transnistrien. Während der Gedenkfeier im Schweriner Schloss erinnerte er uns daran, die Opfer der Shoah nie zu vergessen und die Erinnerung durch die junge Generation wach zu halten.

Marie Adam und Krischi Werner erfüllten Yochanan diesen Wunsch, indem sie an Selma Merbaum erinnerten und Gedichte von ihr rezitierten. Selma wurde 1924 in Czernowitz geboren und starb im Dezember 1942 in Transnistrien an Fleckfieber.

Alles Vergangenheit? Nichts ist vergessen!

Wir danken allen, auch der Bundeswehr, die uns bei diesem Projekt unterstützt haben.

Das Projekt ist Bestandteil unseres geförderten Projektes "Wir - Überlebende und Jugend gegen das Vergessen" der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft.

Beitrag des NDR-Fernsehens